Die große, blonde Frau, mit dem fast perückenhaft dichten, überschulterlangen Schopf blieb abrupt im Eingangsbereich des Drogeriemarkts stehen, schob die nach vorn gerutschte Sonnenbrille weiter zurück ins Haar und blickte angestrengt auf ihr Handydisplay. Ihr Stehenbleiben stoppte auch mich, die ich just hatte eintreten wollen, aber an der Frau mit wegstehender, prall gefüllter Umhängetasche gab es kein Vorbeikommen.
Ende fünfzig mochte sie sein, mit frischer Toffifeebräune und lachsfarbenen Fingernägeln. Das Kleid in leuchtendem Aquamarin, wadenlang, v-dekolletiert und zu meiner Irritation mindestens eine Nummer zu klein, so dass sich jedes Detail ihres vielformigen Körpers inklusive der Unterwäsche außerordentlich abzeichnete. Es irritierte mich deshalb, weil nichts an dieser Frau zufällig war. In den Ohrringen wiederholte sich der Aquamarinton des Kleides ebenso wie in ihren Augen und dem offensichtlich edelmetallbasierten Ring an ihrem linken kleinen Finger. Die Haare hatten glätteisengeformte Wellen, die Füße steckten in sommerlichen weißen Leinen-Peeptoes mit Korkblockabsatz. Alles saß. Das Kleid jedoch nicht im geringsten.
„Bist du das, Klaus?“ Sie hielt das Handy nunmehr butterbrotgleich auf Mundhöhe und blinzelte ins Gegenlicht der Frühabendsonne. Während sich andere Kunden vorbei an der rege mit Klaus sprechenden Dame schlängelten, was diese mit einem Linksschritt aufmerksam erleichterte, stand ich weiter vor dem Geschäft und schaute auf die Aquamarinsilouhette, die sich auf Zwerchfellhöhe bei jedem Satz erst einzog und dann ausdehnte. Dann schwieg sie und nickte und nickte und nickte.