Ostersonntag, Kaffeezeit und mitten in Winterhude bekommt ihr gleich von vier Autoren und Autorinnen was vorgelesen. Besser geht nicht. Kommet zuhauf! Habt Spaß und lauscht.
Er und Sie
Wenn man die Menschen fragt, wann und wie habt ihr euch kennengelernt, dann erzählen die meisten vom Moment der ersten Begegnung.
Nur manchmal, ganz manchmal, erzählt jemand etwas anderes.
Abgründiges.
Vom Schrei. Vom Tonlosen. Von Zartheit und Zärtlichkeit. Von Überraschung. Von Ohnmacht. Vom Schlag.
Von der Liebe. Die erst dann.
Heute sagte eine Frau: Wir haben nie aufgehört uns kennenzulernen.
Als wir mit der gemeinsamen Totenfürsorge fertig waren, beugte sie sich hinab zum bleichen Gesicht. Küsste es. Legte ihre Hände auf die Stille, die noch vorgestern ein Herz war, und sagte den Körper betrachtend: „Wirklich verrückt, wieviel Energie wir alle auf dieses Fleisch verwenden, das nichts ist ohne uns. Aber zumindest hier sind wir … sind wir auch nichts ohne dieses Fleisch.“
Noch eine Weile hielt sie seine Hand. Ließ los.
Auf dem Heimweg blickte ich in den Himmel. Er hatte so wenig Antworten wie ich.
Anne
Vehementes Vogelzwitschern, so als könnten all die Kehlchen den Himmel blau singen. Die Sonne wird noch kommen, denk ich, und gehe weiter. Samstagmorgen. Der Stadtteil im Einkaufsmodus. Und Frühfrühling. Farbpunkte im kahlen Geäst. Manche Menschen tragen Mantel und Rollkragen, andere die Jacken offen und ohne Schal. Hunde im Pullover scheinen mir überflüssig, sind aber da.
Wenig Lächeln. Ich auch nicht. Ein junger Mann kommt mir entgegen. Riesengroß, bestimmt zwei Meter. Riesenbreit, muskelbreit und –bepackt. Auf dem wuchtigen Stahlkörper ein Kinderkopf mit Nickelbrille und Kopfhörern über der Dockermütze. Er schaut aufs Display, ich auf seinen Hals, den Rand vom Schraubgewinde suchend. Es muss eins geben.
Kinder schreien. Immer schreien Kinder. Jetzt reißt der Himmel auf. Niemand lächelt. Augenblicklich fühle ich Wärme im Gesicht. Jetzt muss ich lächeln. Und blinzeln. Rieche heißes Fett aus dem Imbiss links. Frühlingsfett. In den Blumenläden ist alles voller Tulpen.
Und dann plötzlich Anne. Direkt vor mir. „Anne“ weiterlesen
Tagsüber mit Feta
Herr Bodo Ottfried hatte neulich nicht einfach Hunger, sondern gräulich. Sein Magen knurrte unablässig, das wurde schnell als schneller stressig. Gemerkt, getan! Herr Ottfried lief sofort zum Imbiss „beer & beef“. Er würde Currywurst bestellen, vielleicht sogar zwei Frikadellen, dazu noch große Pommes Schranke, so jedenfalls sein Giergedanke. Doch als er um die Ecke wetzte erschien, was ihn zutiefst entsetzte, nicht „beer & beef“, er las indes „Veganer Imbiss Sokrates“. Das war ein Faustschlag in den Magen, um es mal ganz direkt zu sagen. Eine Grieche ohne Fleisch und Käse, mit eifrei weißer Mayonnaise? Das konnte nur ein Irrtum sein. Mit Prüferblick trat Bodo ein! Die Speisentafel auf dem Tresen, war übersichtlich leicht zu lesen. Tsatsiki, frisch, aus Sojabohnen, Moussaka gleich in drei Versionen: statt Hack mit Linsen, Nuss und Kernen. (Hier kann der Gaumen noch was lernen.) Ein Tofugyros mit Tomaten, Zucchini kross in Öl gebraten und Kokosjoghurt dattelsüß, dazu ein Trauben-Birnen-Spieß. „Was darf es sein?“, die Frage traf durchaus Herrn Ottfrieds Essbedarf. So brachte ihn sein leerer Magen dazu nicht einfach „Nichts!“ zu sagen. Er flüsterte mit Trotz und Mut: „Geback‘ner Feta wär jetzt gut.“ Sokrates stutzte. Klar, was kam: „Vom Schaf is aber nicht vegan!“ Da standen beide, stumm und stummer, der Imbiss randgefüllt mit Kummer. Sie stehn noch heute, müsst ihr wissen, ne Lösung hat nie angebissen.
(Diesen Text gibt es nur wegen des Kollegen, der da sagte: „Bettina, schreib doch was über Tagsüber mit Feta„. So. Bitte.)