Tanze, als würde dich niemand sehen

Man soll ja nicht alles schlecht reden.
Wirklich nicht. Es ist unglaublich wunderbar, wie bemüht man inzwischen ist, das Toilettenerlebnis des gemeinen Hotel- oder Raststättenbesuchers zu verschönen. Allein, das Bemühen um höchste Hygiene treibt seltsame Blüten. Zumindest bei mir. Wobei ich zutiefst hoffe, dass ich nicht allein bin mit meiner Suche nach all diesen versteckten Sensoren der vollautomatischen Seifenspender, Wasserhähne, Papiertuchhalter. Es ist ein längst routinierter Automatismus, dass ich mit eingeschäumten Händen unter Wasserhähnen wedle, bis die Seifenflocken in alle Himmelsrichtungen schweben.
Für Damen mit Winkeärmchen ist es einer der beschämensten Momente der sanitären Auszeit.

Ich tanze vor Handfönautomaten.
Bezirze mit Mentalkräften Desinfektionsmitteldüsen.
Vollführe einbeinige Pirouetten vor dem Klo, um den Spülsensor zu aktivieren.
Der Klogang – ein Tanzkurs mit pantomimischem Stressmoment.
Früher griff ich beherzt in die eklige Siffseife am Beckenrand. Hach ja.

Gestern stand ich am Damentoilettenwaschbecken eines Restaurants, mit eingeschäumten Händen und bewegte sie geduldig, aber erfolglos, unter dem Wasserhahn hin und her. Rauf, runter, hin, her. Kreisend. Vibrierend. Ruckartig. Die Dame hinter mir sah eine Weile zu. Dann drängte sie mich schnaubend zur Seite, zog mit einem Ruck den Hahnhebel (tolles Wort!) nach oben und übertönte das Rauschen des Wassers mit den Worten: „Einfach mal zupacken!“ Die Stimme: ätzend. Der Blick: vernichtend.
Meine Füße: verschämt nach innen gedreht.

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