Sie haben nicht damit gerechnet, dass ich jetzt noch einmal die Balkontüre öffne. Ertappt flattern sie davon mit Flügelschlägen, die nach nass auf Beton klatschenden Spüllappen klingen. Eine von den beiden Tauben ist grauer als die andere. Sie müssen ein Paar sein. Wie Bonnie und Clyde, Thelma und Louise, Sailor und Lula. Komplizen gegen den Rest der Welt und der Rest der Welt bin in diesem Fall ich; sind meine Fenstersimse und mein Balkon. Selbst im Dunkeln sehe ich die vielen zartweißen Federn, festgeklebt auf seinem winterbemoosten Boden. Taubendreck überall. Ich mag sie nicht. Ich will sie nicht. Ihr Gurren ist mein Tinnitus jedes Morgens und zu vieler Momente, in denen ich Hoffnung auf Stille hatte. Sie werden mir auf den Kopf kacken, bald.
Ich verweile an der geöffneten Tür, lasse die Nachtluft in mich strömen und frage mich, wann ich aufgehört habe Tauben zu mögen. Wann ich aufgehört habe Ratten zu fürchten und wann der Impuls starb, Flauschiges anfassen zu wollen. Wie kann es überhaupt sein, dass sich nicht viel mehr verändert, wo sich das Leben fortwährend umbaut. Wo selbst in meinen Eingeweiden die Zellen kommen und vergehen wie hungrige Wanderarbeiter, von meiner Haut ganz zu schweigen, die sich ruhlos erneuert, als gäb’s dafür einen Preis, während der Gedanke, der „Ich“ in mich denkt zäh und schwerfällig bleibt wie Kaugummi unter Schulbänken.
Die Tauben gurren im Baum. Wir sind noch nicht zu Ende.