Der Mann an der Rezeption sieht ein wenig so aus, als habe er zu lang in Formaldehyd gelegen. Er spricht leise. Haut und Haar haben die gleiche Farbe, die wässrigen Augen warten geschützt hinter den Gläsern einer randlosen Brille auf den nächsten Lidschlag. Was nur irritiert mich? Als er spricht, ist es klar: Er hat kein Lippenrot. Sein Mund ist ein unscheinbarer Spalt unter der Nase.
„Sie haben ein schönes Zimmer. Ein schönes Zimmer.“
Er öffnet die Tür zu einem langen Korridor und lässt mich vor gehen.
„Am Ende des Flurs.“ Es ist kalt. Die Wände haben Gänsehaut. Ich verstehe erst beim zweiten Blick, dass es nur eine Raufasertapete ist.
Aus einem der Zimmer tönt heftiges Geigenspiel. Wenn mir der Formaldehydmann jetzt ein Messer in den Rücken schiebt, wäre mein letztes Schnaufen gar nicht zu hören. Ich bleibe stehen. 231.
„Darf ich?“ Die quarkigen Hände schließen die Tür auf. Der Mann tritt zur Seite. Ich blicke ins Zimmer. Sehr hoch, sehr weiß, sehr langgezogen.
Das Bett ist riesig. Das (obligatorische) Bild darüber hängt weit rechts. Zu weit rechts, halb über den Bettrand hinaus. Es zeigt einen Fabrikbrand von 1801.
Er reicht mir die Schlüssel. Seine Fingerkuppen berühren meine Handinnenfläche. Er muss schon länger tot sein.
„Das ist ein schönes Zimmer, danke.“ sage ich.
Er nickt.
„Sie werden gut schlafen. Und lang.“
Er geht.
Einen Augenblick lang sehe ich aus wie die Tapete.