Damals. Daheim. Linksrheinisch.

Täglich auf die unterschiedlichsten Menschen zu treffen, gehört zu den herrlichen Seiten meines Berufs.

Allein die Bandbreite meiner früheren Kundschaft ist betörend: von der Gebäudereinigerin über die Metzgersgattin bis zur Richterin – alles war vertreten. Und weil mein Heimatstädtchen so wahnsinnig multikulturell ist, fanden sich nicht nur gebürtige Rheinländer in meinem Kosmetiksalon ein, nein, sogar einige Berliner verirrten sich regelmäßig zu mir. Schwaben. Bayern. Mehrfach sogar ein Herr aus Thüringen.

Die rheinische Kundin ist jedoch in gewisser Weise unübertroffen. Die Ur-Rheinländerin. Die Dialektbombe. Der Archetyp der Rheintochter quasi. Dass ich selbst, obwohl im Rheinland geboren und aufgewachsen, das rheinische Platt nicht beherrsche, sah mir die Stammkundschaft stets großzügig nach.

„Dat arme Ding! Bayrische Mutter! Da machste nix!“

Verständigungsprobleme gab es nie, letztlich auch deshalb, weil ich selten gezwungen war, zum „Dialog“ was anderes beitragen zu müssen, als ein Kopfnicken. Zu den Sternstunden linksrheinischer Kosmetikkommunikation zählt zweifelsohne der Urlaubsbericht von Frau B!

Sie hatte mit ihrem Mann eine Australienreise gemacht und stapfte frisch gebräunt in meinen Salon. „Also nää, nää! Australien is ja wirklisch `n dolles Land! Janz doll! Aber diese Bewohner da, diese Urwohner, also diese Äboritschinies, die sin ja sowas von hässlisch! Also sowas von hässlisch! Furschbar! Die dunn mir so leid! Aber sonst wor et janz doll! Dieses Land! Diese Weite! Mir wore ja ooch am Eierrock. Dat wor jijantisch!“

Hier verließ mich meine ansonsten schnelle Auffassungsgabe, weil meine Synapsen den Bezug zum Ayers Rock nicht so schnell auf die Reihe bekamen.

„Das glaube ich gerne.“ Gedanklich einen eiförmigen Felsen vor Augen, trug ich das Peeling auf. „Jetzt rubbeln Se mir ja die janze Bräune weg! Is jut jetzt! Lassen Se das! Also. Wo wor isch? Ah ja, am Eierrock. Und do hätt minge Mann jesacht, dat sei `n Heilischtum von diese Äboritschinies und dat wir deshalb nit op de Eierrock klettern könnten. Is klar. Isch meine, isch fänd dat och nit juut, wenn de Äboritschinies op de Kölner Dom klettern täten …“

Da musste ich Frau B Recht geben.

Wie ich auch Frau F Recht geben musste, als sie mir erzählte, dass ihr Mann der Meinung sei, sie habe zu viele Falten, worauf sie nur erwidert habe: „Wenn de wat Glattes sehen willst, dann guck dinge Pläät an!“ (Für alle Nichtrheinländer: Pläät ist die Glatze.)

Die neugierigen Rheinländerinnen waren stets den Neuerungen der Kosmetikindustrie gegenüber offen. So erweiterte ich damals mein Angebot um eine Behandlung auf Enzymbasis. Eine Spezialpackung musste dabei 10 bis 15 Minuten mittels Bedampfungsgerät feucht- und warmgehalten werden.

Die Kunde vom brandneuen Faltenglätter hatte sich in Windeseile herumgesprochen. Auch Frau D rief an und verlangte: „Frau Strang, letzte Woche war minge Fründin bei Ihnen und die hatte diese Behandlung mit dem Fön. Die will isch auch!“

Mit dem Fön? Nach kurzer, cerebraler Irritation meinerseits erfolgte die Terminabsprache ohne Komplikationen.

Gewissheit über die bestens funktionierende Mundpropaganda innerhalb unseres Wohngebietes erlangte ich über die in den darauf folgenden Wochen eintrudelnden Anfragen zur „Fönbehandlung“.

Am schönsten waren die Momente, in denen ich mit einem einzigen Wort die Schatzkiste rheinischen Verniedlichungsdrangs öffnen konnte.

Ich: „Tütchen?“

Kundin: „Für dat Töppschen? Ach wat! Isch nehm dat ins Täschchen, so schwer sind diese Liposömschen ja nit und Jesichtswässerschen nehm isch beim nächsten Mal mit. Tschöschen!“

Eine Antwort auf „Damals. Daheim. Linksrheinisch.“

  1. Zur rheinischen Dialektbombe ein bissel verspätet folgende Ergänzung: die inzwischen gewählte neue Oberbürgermeisterin von Köln wurde beim Wahlkampf am Stand von einem Mann mit dem Messer angegriffen und am Hals schwer verletzt. – Heute nach ein paar Wochen Krankenhaus hat sie ihren Dienst angetreten und meinte beim Interview u.a.: „Jo, da kom der doher guckte nett un stich mir einfach dat Messer in de Hals, wie kann einer, der so fröndlich guckt sowas don …“ mein Mann und ich mussten, zwar mit innerem Widerstand, laut lachen; sowas bringt nur eine Rheinländerin hin. Alles Liebe für Sie Ihre G. Bohlen

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