Der gecremte Mann

Also mal ehrlich: Eine Kosmetikerin ohne Mann ist wie ein Wissenschaftler ohne Labormaus.
Ich kenne keine (in Worten: keine!) Kollegin, die nicht die Säulen ihrer Kunstfertigkeit auf der Epidermis des Partners verankert hat. Was die wenigsten Endverbraucher wissen: Jedes Produkt und jede kosmetische Anwendung werden von der Kosmetikerin ausgiebig am heimischen Mann getestet, bis sie schlussendlich zum Einsatz am zahlenden Fremdkörper kommen. Meines Wissens hat sich auch noch keine Schutzorganisation, gleich welcher Couleur, dieser Ausbeutung angenommen.

Die (Fach-)Presse widmet gerne ausgiebige Artikel dem Mann im Reich der Kosmetik. Über den Mann dahinter schweigt die Branche unisono. Kein Wort über teilenthaarte Schienbeine, verzupfte Augenbrauen, Spraytanningattacken und dermabrasierte Nasenrücken. Entgegen allen feministischen Glaubenssätzen erweisen sich Kosmetikerinnenmänner als außerordentlich leidensfähig. Sie nehmen wochenlange Schälkuren so klaglos in Kauf wie einen gefrenchten „Testnagel“. Sie lassen sich scrubben und sonophorieren; lassen uns Probebohrungen mit Hochleistungskomedonenhebern machen und schrecken nicht einmal vor einer Wimpernwelle zurück, selbst wenn sie an den Nasenhaaren ausprobiert wird.
Und unter einem Ölwechsel verstehen sie längst das Umschwenken von der Vitamin A- zur Vitamin E-Ampulle.

Auf den großen Messen sieht man sie trolleyziehend einen halben Schritt hinter der Dame ihres Herzens, sorgsam jedwede Infobroschüre verstauend und allzeit bereit, den Unterarm von Needlingrollen traktieren und die Ohrläppchen mit Liftingpads zupflastern zu lassen.
Beste Freundinnen wären zu so etwas ja gar nicht in der Lage, und wenn doch, dann keinesfalls mit y-chromosomalem Gleichmut und noch weniger schweigend.
Ich erinnere mich an eine Kollegin, die mangels Mann ihre Mutter zur Austestung einer Bleichungscreme herangezogen hatte. Nach sechs Wochen ermüdendem Verbalstellungskrieg überließ die Kosmetikerin der Mutter ihren Salon und die getestete Firma musste die Cremerezeptur grundlegend neu gestalten. Ich meine gehört zu haben, dass auch der Cremehersteller später in die Hände der Mutter überging.

Mit einem Mann wäre so etwas nicht passiert.

Den Nachwuchs lässt man ebenfalls besser außen vor, obschon ich Kolleginnen erlebt habe, die die Vielfalt ihres Angebots zu erzieherischen Maßnahmen zu nutzen wussten. „Wenn du nicht sofort damit aufhörst, mach ich dir eine Iontophorese!“, war die überraschende Drohung, derer ich Zeuge werden durfte, als ich eine Bekannte mit Homestudio besuchte, deren Sohnemann im Minutentakt krakeelend in den Behandlungsraum stürmte.
Ja, man lernt nie aus.
Ich selbst möchte demnächst meine Make-up-Techniken mal wieder bei einem kleinen Kreativnachmittag verfeinern. Mein Männe ist diesbezüglich schon Topmodel geworden: keine Hustenanfälle mehr bei Puderanwendung, und die Blinzeltränenattacken während des Kajalauftragens haben auch aufgehört. Buddhistisch atmet er in alle Farbanwendungen hinein und wirft am Ende einen kritischen Blick in den Spiegel. Er legt besonderen Wert auf einen feinen Pinselstrich und ist als Tester so routiniert, dass er sich nicht einmal mehr hektisch abschminken möchte, bevor er dem Postboten die Tür öffnet.

Hinter jeder erfolgreichen Kosmetikerin steht ein dick eingecremter Mann!

Waschstraßendebakel

Der Mensch, in diesem Fall ich, ist oftmals gedankenverloren. Oder, schöner ausgedrückt: im Fluss. Intuitiv im Fluss.
Bei Tätigkeiten, die sozusagen im Autopilot durchführbar sind, ist das kein Problem. Würde ich über bestimmte Bewegungsabläufe nachdenken, wäre ich außer Stande, sie durchzuführen. Radfahren zum Beispiel.
Ein Grund mehr, schlafende Hunde nicht zu wecken. Es gibt Dinge, die sollten einem nicht gesagt werden, selbst mit der besten Absicht nicht.

Tatort Waschstraße. Samstagnachmittags.
Ich halte beim Waschstraßenmann.
„Einmal nur waschen.“
„Fünf Euro, bitte. Lenkradsperre raus, nicht Bremsen und Automatik auf N.“
(Ich denke: Weiß ich doch, Himmel! Fahr ja nicht zum ersten Mal hier durch)
„He, junge Frau! Nicht bremsen!“
„Was?“
„NICHT BREMSEN! AUTOMATIK AUF N!“
„Aber ich hab doch…“
„N!“

Ich sehe „N“, aber aus unerfindlichen Gründen schalte ich auf „R“ und lasse den Fuß auf der Bremse.

„N! Himmel, das kann doch nicht so schwer sein!“
Ich nehme den Fuß von der Bremse und schalte paralysiert auf „P“, wissend, dass das falsch ist, aber ich kann nichts dagegen tun. Es schaltet, was immer Es ist.
Der Waschmann ist jetzt ganz rot im Gesicht, hinter mir ist ein Stau.
„N! Herrgott, N wie Nordpol, Norddeich, Nieren oder Nasen!“

Während meine Hand den Automatikschalter sorgsam auf „N“ schiebt, stellt sich mein Fuß wieder auf die Bremse. Was immer gerade in mir im intuitiven Fluss ist, es ist diesmal kein guter Fluss. Der Waschmann schnappt nach Luft, ehe er brüllen kann, reiße ich den Fuß von der Bremse, die Hände in die Höhe, kneife die Augen zusammen und flehe „Allesgutallesgutallesgutallesgut!“.
Mit einem sanften Schub bewegt sich das Auto in die Waschstraße hinein. Ich bin wie versteinert und höre durch dumpfes Wasserprasseln hinter mir schlimmste norddeutsche Flüche.

Ich kann nie wieder in diese Waschstraße fahren. Bitte, da wird niemand etwas anderes behaupten können. Ich bin gebrandmarkt, ich bin Waschstraßenlegastheniker, Automatik-Analphabet, alles zusammen und gemischt und auch noch in der schlimmsten aller Erscheinungsformen: Frau und blond.
Ich sehe schon das künftige Plakat an allen Waschstraßen Hamburgs, mit meinem Konterfei darauf: „Ich muss leider draußen bleiben.“
Und deshalb muss ich jetzt auf mein Sofa. Muss ferngehalten werden von der Welt und ihren simplen, aber undurchführbaren Anforderungen.
N wie Nordpol. Oder B wie Bremse. Schmach hat viele Buchstaben.

Waschmaschinen-Winkelspinnen-Verhältnisse

Natürlich ist die Waschenmaschinentür bei Nichtnutzung, ebenso wie das Pulvereinfüllfach, offen. Ich versuche stets nicht darüber nachzudenken, ob Winkelspinnen Waschmaschinen betreten. Können. Wollen.

Am liebsten wäre mir, Waschmaschinen hätten eine Innenbeleuchtung, so wie Kühlschränke. Sobald man die Tür bewegt -zack – Licht an und ich könnte sehen, ob sich Getier in der Trommel befindet. Es ist mir, trotz Phobie, ein wenig zu peinlich, vor jedem Waschgang mit einer Taschenlampe bewaffnet den Frontlader auszuleuchten. Nicht zuletzt, weil ich bei Entdecken einer Spinne, außer einer Schockstarre mit anschließendem Fluchtimpuls, nichts zu bieten habe.
Also fülle ich blindlings die zu waschende Wäsche ein und hoffe, dass keine Winkel(odersonstige)spinne im 60°C Weißwäsche-Programm weilt.
Stirbt.
Nass am Stoff klebt.
Von Schleuderkraft einzelner Beine beraubt.
Die dann wiederum am Stoff kleben.
Womöglich meinem Liebingsshirt.
Ich öffne die Waschmaschine. Greife beherzt hinein. Will die Wäsche in den Korb davor purzeln lassen. Die weiße, schneeweiße Wäsche. Und wie ich sie nach vorne hole, fällt dieser schwarze Schrumpelkorpus auf meinen Handrücken. Nass. Klebend. In den aufgerissenen Spinnenaugen noch die Schrecken der Vorwäsche. Reflexartig will ich das tote Tier abschütteln. Sie klebt. Ich schüttle heftig. Die nasse Leiche löst sich, fliegt empor – direkt in mein Gesicht. KLEBT! … Im Film folgt an dieser Stelle ein gnädiger Schnitt. Die nächste Szene spielt in der Pathologie.

Ja, natürlich ist mir das noch nicht passiert.
Aber es könnte.
Jeden Tag posten auf facebook mindestens 100 Menschen 200 Lebensweisheitenseitenbilder, auf denen bedrohlich darauf verwiesen wird, dass die Macht unserer Gedanken unsere Realität bestimmt. Niemand postet Bilder, auf denen steht, dass das nicht für Winkelspinnen in Waschmaschinen gilt! Niemand postet Bilder, auf denen steht, dass AEG die erste Trommel mit Winkelspinnenlotuseffekt auf den Markt gebracht hat.
Ich bin allein.
Die Trommeltür ist offen.

Im Film würde die Musik jetzt dramatisch.

Tankstellendemenz

Noch für 39 km Sprit. Endlich eine Tankstelle. Ich steige aus, entsorge flott diverse zerknüllte Bäckerbrezelpapiertüten im Mülleimer an der Zapfsäule und ziehe nahezu zeitgleich einen Dieselhandschuh aus dem Wandhalter. Und erwische zwei. Kurz gibt es den Impuls, den zweiten Handschuh zurück in den Wandhalter zu friemeln, dann aber denke ich: „Leg ihn ins Auto. Vielleicht brauchst du sowas mal.“
Ich denke es, halte den Handschuh aber mit meiner Geldbörse zusammen in der Hand und tanke. Klar…einen Dieselhandschuh braucht man immer…jeder sollte einen haben. Ich muss kichern. Der Tank ist voll. Ich öffne die Beifahrertür, um den Handschuh ins Auto zu schubsen. Gedanklich bin ich schon längst mindestens fünfzig Kilometer weiter. Es ist voll. Kleine Schlange an der Kasse. Endlich bin ich dran. „Die Drei.“, sage ich zum Kassierer. „71,56“ entgegnet er. Ich will meine Tankkarte herüberreichen. Die Tankkarte? Wie kann ich sie herüberreichen, wenn ich die Geldbörse vorher nicht geöffnet habe? Die Geldbörse….hat doch eine gewisse Form, die ich gerade gar nicht fühle….denke ich…während die Hand nach vorne schnellt, so schnell…schneller als die Gedanken denken können. Der Kassierer greift reflexartig zu. Stutzt. Sieht mich ratlos an. So wie die Wartenden hinter mir.
Vor meinem geistigen Auge erscheint eine Geldbörse auf dem Beifahrersitz…in der Hand des Kassierers ruht: der Dieselhandschuh.

Tanze, als würde dich niemand sehen

Man soll ja nicht alles schlecht reden.
Wirklich nicht. Es ist unglaublich wunderbar, wie bemüht man inzwischen ist, das Toilettenerlebnis des gemeinen Hotel- oder Raststättenbesuchers zu verschönen. Allein, das Bemühen um höchste Hygiene treibt seltsame Blüten. Zumindest bei mir. Wobei ich zutiefst hoffe, dass ich nicht allein bin mit meiner Suche nach all diesen versteckten Sensoren der vollautomatischen Seifenspender, Wasserhähne, Papiertuchhalter. Es ist ein längst routinierter Automatismus, dass ich mit eingeschäumten Händen unter Wasserhähnen wedle, bis die Seifenflocken in alle Himmelsrichtungen schweben.
Für Damen mit Winkeärmchen ist es einer der beschämensten Momente der sanitären Auszeit.

Ich tanze vor Handfönautomaten.
Bezirze mit Mentalkräften Desinfektionsmitteldüsen.
Vollführe einbeinige Pirouetten vor dem Klo, um den Spülsensor zu aktivieren.
Der Klogang – ein Tanzkurs mit pantomimischem Stressmoment.
Früher griff ich beherzt in die eklige Siffseife am Beckenrand. Hach ja.

Gestern stand ich am Damentoilettenwaschbecken eines Restaurants, mit eingeschäumten Händen und bewegte sie geduldig, aber erfolglos, unter dem Wasserhahn hin und her. Rauf, runter, hin, her. Kreisend. Vibrierend. Ruckartig. Die Dame hinter mir sah eine Weile zu. Dann drängte sie mich schnaubend zur Seite, zog mit einem Ruck den Hahnhebel (tolles Wort!) nach oben und übertönte das Rauschen des Wassers mit den Worten: „Einfach mal zupacken!“ Die Stimme: ätzend. Der Blick: vernichtend.
Meine Füße: verschämt nach innen gedreht.