Er und Sie

Wenn man die Menschen fragt, wann und wie habt ihr euch kennengelernt, dann erzählen die meisten vom Moment der ersten Begegnung.

Nur manchmal, ganz manchmal, erzählt jemand etwas anderes.

Abgründiges.

Vom Schrei. Vom Tonlosen. Von Zartheit und Zärtlichkeit. Von Überraschung. Von Ohnmacht. Vom Schlag.

Von der Liebe. Die erst dann.

Heute sagte eine Frau: Wir haben nie aufgehört uns kennenzulernen.

Als wir mit der gemeinsamen Totenfürsorge fertig waren, beugte sie sich hinab zum bleichen Gesicht. Küsste es. Legte ihre Hände auf die Stille, die noch vorgestern ein Herz war, und sagte den Körper betrachtend: „Wirklich verrückt, wieviel Energie wir alle auf dieses Fleisch verwenden, das nichts ist ohne uns. Aber zumindest hier sind wir … sind wir auch nichts ohne dieses Fleisch.“
Noch eine Weile hielt sie seine Hand. Ließ los.

Auf dem Heimweg blickte ich in den Himmel. Er hatte so wenig Antworten wie ich.

5 Antworten auf „Er und Sie“

  1. Es ist faszinierend, wie unterschiedlich die Geschichten sein können, in denen Menschen sich kennenlernen. Der Text zeigt, dass die erste Begegnung oft nur der Anfang einer langen Reise ist. Die Emotionen, die dabei ausgelöst werden, reichen von Zartheit bis zur Ohnmacht. Warum ist es so schwer, die wahre Essenz einer Beziehung in Worte zu fassen?

    1. Vielleicht, weil auch die Essenz fragil und robust gleichzeitig ist. Und aus mehr Zutaten besteht als wir zu benennen vermögen.

  2. Es ist faszinierend, wie verschiedene Menschen die Momente des Kennenlernens beschreiben. Die Geschichte dieser Frau, die sagte, sie hätten nie aufgehört, sich kennenzulernen, ist besonders berührend. Solche Momente zeigen die Tiefe und Komplexität menschlicher Beziehungen. Der Himmel, der keine Antworten bietet, spiegelt unsere eigene Hilflosigkeit in der Liebe wider. Was macht deine Sicht auf das Kennenlernen so einzigartig?

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