Vielleicht aus Leder. Schon weich gegriffen, mit etwas Geschichte(n) dran. Mir steht der Sinn nach Second Hand Läden und einer kleinen Tasche. Oder einer Art Rucksack. Rucksäckchen. Ich weiß es nicht. Zunächst los von Währing, nicht die Wege der letzten Tage. Immer diese kleinen Lädchen hier. Mag ich so sehr. Das Grün kann nicht wahr sein an dieser Fassade. Das Grün ist wahr. Ich gehe weiter gleich Richtung Donaukanal. Ach, da ist wieder das Geburtshaus von Peter Alexander. Noch immer steht er bildgerahmt geklemmt zwischen Scheibe und Heizung.
Friedensbrücke. Rechts geht es gen Zentrum. Der Impuls will links. Gut, dann eben links. Schön ist das erstmal nicht, auch wenn die Stadtwerke sich kunstvoll geben. Rennradfahrer zischen an mir vorbei wie neongefärbte Muränen. Je weiter ich gehe, desto mehr Beton. Desto mehr Beton, je opulenter die Graffitis. Wer kein Geld fürs Museum hat, findet hier freie Kunst. Ich staune über Farben und Formen. Zisch und Zopp. Mancher Rennradler streift so dicht an mir vorbei, dass mich flatternde Funktionsjacken touchieren.
Dann bin ich an der Donau. Schlammgrau und ruhig fließt sie dahin. Die Nussdorfer Brücke überrascht mich. Der Himmel lässt kein Foto zu. Eh überflüssig. Also weiter. Bei Käptn Otto gibt es heute Glühwein. Und Punsch. Es sind 16 Grad. Feels like Fridays for Februar. Bestimmt gibt es WCs. Ganz links. Kacheln mit hummelfigurähnlichem Bub und Mäderl. Die Münzeinwurftüren sind nur angelehnt. Ich mag das, wenn mit kleinen Mitteln mehr Wohlfühlen entstehen soll. Neuer, lila Klodeckel, dazu passend in einem anderen lila der Mülleimer und wieder anders lila die Klobürste und das Klopapier ist so mettrosa, wie ich noch keins gesehen hab. Im Hintergrund Fische, die sich küssen könnten, schwämmen sie auf Augenhöhe. Es ist picobello hier. Wieder am Flussufer frage ich mich, ob es ein Lokal weiter, bei der Donau Fritzi, auch so picobellolila ist.
Ein Berg. Von dem ich noch nicht weiß, dass es der Leopoldsberg ist. Ich gucke zur Kirche hinauf. Von der ich noch nicht weiß, welche Kirche sie ist. Das Frühstück ist gefühlt sehr lang her. Nein, auf einen Berg klettern möchte ich heute nicht. Bestimmt geht eine Bahn, denke ich. Puh. Bahn? Ach. Ich passiere einen Ort, der so nett dreinblickt, dass ich abbiegen MUSS. Kahlenberger Dorf, lese ich. Leer, sonnig, mit pittoresker Kirche, zu der ich durch die Hirnbrecherstiege gelange. Hirnbrecher ist ein erfreuliches Wort. Man kann die Kirche nicht wirklich betreten, aber bei hinter sich geschlossener Holztür an einem Gitter in den Kirchraum gucken. An der Wand ein Schalter mit dem Aufkleber „Drei-Minuten-Licht“. Es wird wieder dunkel, ich stoße mir derb den Kopf an einem Metallblech, das angeschrägt von der Türkante ragt. Aua. Draußen weist ein Schild zum Friedhof. Bestimmt ist er hinter der Kirche. Wenn man „hinter der Kirche“ weiter fasst, stimmt es. 2 km schnaufe ich den Weinberg hinauf. Alter Falter, warum hab ich nicht wenigstens ne Mandarine eingepackt?
Der Friedhof ist wunderschön. Wun – der –schön. Ich gehe, und gucke, verweile und schaue, staune und rätsle. Einige sehr junge Verstorbene. Verwunschen ist manches eck. Künstlercharakterköpfe hinter Grablampen. Die blicken hier. Was für ein schöner Ort. Der Wind frischt drastisch auf. Der Blick auf die Donau –ach! Geht es von hier irgendwie wieder nach Währing? Ich lasse den Friedhof hinter mir, folge erst der Nase und dann doch im Groben Google Maps. Mein Magen möchte Umwege vermeiden.
Kahlenberger Straße. Bämm. Der Blick direkt von den Weinbergen über Wien macht mich sprachlos. Wie ein aufgeregtes Kind hüpfe ich ein paar Mal in die Luft, renne auf die linke Seite zwischen die Reben, dann auf die rechte Seite zwischen die Reben. Eine Frau mit Hund kommt entlang. Hallo, Sie, bitte, schauen Sie doch! Wahnsinn, oder? Wahnsinn. Hund und Frau kennen das alles und schauen nicht. Ich hüpfe. Mir ist etwas flau. Mandarine, denk ich kurz.
Nach Grinzing gehe ich. Das hat auch einen Friedhof, was ich nur weiß, weil ich dran vorbeikomme, ungesucht. Gänseblümchen auf einem grasbewachsenen Grab. Das ist schön.
Eine Weile geh ich durch Villenviertel. Häuserpracht abgeschottet und umzäunt. Irgendwie freut es mich, wenn sich zwischen glanzlackierter Hochsicherung grüne Zweigfinger stehlen. Hinter Grinzing graue Häuser. Wohnsiedlungen. Eins mit Schild. Hier hat der Fellner Sepp komponiert. Wienerlieder. Hier? Hier!
17 km waren es. Zurück in Währing ohne Leder. Ich schäle hastig Mandarinen im Stehen am Küchenbüffet und höre mir ein Lied vom Sepp an: