Henkmoment, plötzlich

Ich knipse rasch ein Foto von den Seerosen, um einen WhatsApp-Gruß zu verschicken. Als ich wieder nach oben schaue, sehe ich Henk auf der anderen Seite des Wassers, als habe er auf mich gewartet. Mein aufkommendes Lächeln fühlt sich an wie Hände, die ein knittriges Tuch glattstreifen.
„Ich hab auf dich gewartet.“
„Ja, klar!“
„Naja. Sagen wir, ich wusste, dass ich dich heute hier treffe.“
„Bei den Seerosen?“
„In Planten un Blomen.“
„Was nicht gerade klein ist. Und die Uhrzeit wusstest du auch nicht.“
„Ich WUSSTE, dass ich dich heute treffe.“
„Manchmal machst du mir Angst Henk.“
„Nicht doch.“
„Wir haben so lang nix gehört….ich weiß gar nicht…was…“
„….mein Aquarellmann macht?“
„Der Aquarellmann! Henk! Genau!“
„Nichts.“
„Nichts?“
„Wir waren ein paar Mal aus. Kino. Konzert. Essen.“
„Nicht gefunkt?“
„Ich kann das einfach nicht.“
„Neben Jan? Obwohl er es kann?“
Henk schweigt in die Seerosen, greift sacht meinem Ellenbogen und deutet Richtung Japanischer Garten. Er trägt ein tiefschwarzes Poloshirt, das noch dazu gebügelt zu sein scheint. Nicht einmal die Kragenspitzen krümmen sich.
„Wie geht es euch denn inzwischen?“
„Das weiß ich nicht. Es ist wie es ist und ich weiß, seine Jungs sind was anderes als ich und ich weiß das.“
„Du weißt das.“
„Ich weiß das.“
„Fühls…“
„Nein. Eben nicht.“
Stille.
Stille.
Stille.
„Beginnt nicht Morgen dein Praktikum beim Bestatter?“
„Ja.“
„Ich hab deine Bilder gesehen vom Friedhof in Wien.“
Henk legt den Arm um meine Schulter und unwillkürlich werde ich kleiner. Henk legt nie den Arm um meine Schulter.
„Wär ich nicht schwul, wärst du mein.“
„Bin ich doch. Irgendwie, jedenfalls. Wir sind unser. Oder so.“
Henk lacht auf.
„Wir sind unser! Los, darauf ne Fassbrause.“
„Fassbrause?“
„Fassbrause.“
Er löst den Arm und beschleunigt merklich die Schritte. Stoppt.
„Was ist’s wohl mehr? Gebet, Geschichte oder Gedicht, dieses Wir Sind Unser?“
Seine rechte Hand streift mir den Pony aus dem Gesicht.
„Henk, das ist jetzt ….“
„…jaja. Weiß ich doch. Deine Haare sind wie dein Herz: Bloß nicht verhuddeln.“
 

4 Antworten auf „Henkmoment, plötzlich“

  1. Ich liebe deine Henkmomente!
    Und ich stelle mir vor, was das wohl für ein Mensch ist.
    Auf jeden Fall ist er mir deiner Beschreibung nach absolut sympathisch. Ich mag diese skurilen Typen.
    Außerdem finde ich, du solltest einen Roman über und mit Henk schreiben!

  2. Was für ein Typ! Nur wenige Zeilen, und ich als Frau kann mir den Gedanken nicht verkneifen, dass es doch ewig schade ist, dass dieser Hank schwul ist! Es scheint, als habe er das gewisse Etwas und man möchte mehr von ihm. Nur so als Kumpel, versteht sich, aber vielleicht…. Jedenfalls eindeutig Suchtpotential.

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